Donnerstag, 4. August 2016

Der Löwe und was?

Basiert auf einer wahren Geschichte, die so oder anders stattgefunden hätte, wenn es doch nicht ganz anders gekommen wäre.


Ich schreibe nun eine Geschichte, weil ich eigentlich tot sein sollte. Doofer Beginn, wer will hier schon weiterlesen? Folgt nun etwas trübsinniges? Etwas lustiges oder etwas mit viel Krawall und wenig Sinn? Es ist die Ungewissheit, die dich weiterlesen lässt, nicht wahr? Ungewiss war für mich auch vieles, bis zu einer Wendung, die es in sich hatte.
Es begann alles mit einem dämlichen, einfach so dahingesagten Versprechen. 
„Wenn ich keinen Studienplatz bekomme, dann gehe ich nach Afrika.“
„Afrika? Wer will heute denn noch nach Afrika?“, sie blickte mich verständnislos an.
„Wenn mich keine Hochschule möchte, dann haben sie mich auch nicht verdient. Dann gehe ich nach Afrika und lasse mich von einem Löwen verspeisen.“
Sie blickte mich nüchtern an und boxte mich in die Seite. In diesem Moment war ihr nicht klar, wie ernst mir dieser saloppe Spruch doch war.

Als die Absage in meinen Briefkasten flog, da fühlte ich mich schon bevor ich ihn öffnete niedergeschlagen. Ich hatte alles auf eine Karte gesetzt. Als ich den Brief Aufriss und mir die schwarzen Buchstaben hämisch ins Gesicht grinsten, floss mir eine Träne über die Wange. Wie automatisch ging ich zu meinem Bett, auf die Knie und zog eine Tasche hervor. Sie war seit meinem Versprechen gepackt. Eine Reise, die keine Rückkehr erforderte und auch nur leichtes Gepäck. 
Last Minute Tickets nach Afrika waren leicht zu bekommen und so flog ich mit anderen Menschen auf einen Kontinent, den ich nur aus meinen alten Abenteuer Büchern kannte. Der dort immer nur als sehr romantisch beschrieben wurde. Den Kindern verschweigt man lieber politische Situationen und dicke Wasserbäuche.
Während des Fluges machte ich mir Gedanken, was das Ziel für die anderen Passagiere war. Wollten sie Abenteuer erleben? Hatten sie einen neuen Beruf? Oder wollten sie sich alle von einem Löwen auffressen lassen? Hoffnungslos genug sahen sie ja aus... 
Als das Flugzeug landete war ich beruhigt, ein Absturz oder eine Entführung hätte mir gerade noch gefehlt. Plötzlich musste ich grinsen.
Am Flughafen stieg ich in ein Taxi, das mich dort hin bringen sollte, wo noch wilde Löwen lebten. Ich redete mir ein, dass mein Löwe ein besonders wilder Löwe sein musste, kein gezähmter Safari Löwe, der die Menschen schon satt gesehen hatte.
Als wir auf der Steppe angekommen waren, warf mich der Taxi Fahrer aus dem Auto, ich hatte ihm schon all mein restliches Geld gegeben. Der Taxi Fahrer war ein netter Mann, der sich  nicht vorstellen konnte, was meine Pläne waren. Er wollte mir zuerst ausreden, auf die Jagd zu gehen. Ich musste ihm versichern, dass ich in keiner Tasche eine Schusswaffe bei mir trug. Er achtete das Gesetz der Natur, sah im Erhalt der Artenvielfalt Afrikas eine seiner Aufgaben. Diese erfüllte er darin Touristen einfache Benimmregeln zu lehren: 
„In der Natur brauchst du keine Waffe“ 
„In der Natur brauchst du kein Auto, also akzeptiere ihre Grenzen“
„Füttere keine Tiere, sonst werden sie faul“
Dass ich diese Regel verletzen wollte verschwieg ich einfach.

Ich lief Stunden nachdem er mich abgesetzt hatte suchend umher. Die Sonne war schon weit gewandert und war dabei untergehen zu wollen, als ich einen Löwen vor mir stehen sah. Wohlgemerkt ein männliches Exemplar, aber ich hätte nicht gedacht, dass es so schwer sein würde ihn zu motivieren mich zu fressen. Ich lief um ihn, winkte lautstark, legte mich vor ihn, er gähnte nur. Dann kam mir eine Idee. Ich will hier keine Werbung machen, doch Berta aus der Nachbarschaft macht die beste Grillsauce und die hatte ich noch vom letzten Grillazsflug in der Tasche. Ich öffnete sie und rieb mich ein. 
Plötzlich blickte der Löwe mich an, gierig. So musste man sich also fühlen, wenn man sich von blicken ausgezogen fühlt! Ich fühlte mich von Blicken gefressen. Ein wohliger Schauer lief mir über den Rücken, der erst damit endete, als ich sämtliche Zähne im Maul des Tieres zählen konnte.
Und er mich verschlang.

Mit Haut und Haaren. Sprichwörtlich. Durch die Peristaltik seiner Speiseröhre würde ich richtig Magen transportiert. Und da saß ich nun. Im Dunkeln. Wäre das Flugzeug dich abgestürzt! Wieder vergingen Stunden, langsam begann die Magensäure an meinen Zehen zu knabbern. Blödes Gefühl, ganz blöde!
Plötzlich knabberte etwas in meiner Hosentasche. Knabberte... Nein vibrierte! 
iPhone, du lebst? Nicht tot. Ich blickte auf das Display, welches das Abenteuer ebenfalls überlebt hatte, was ich als unglaublich befand. Aus Erfahrung kann ich sagen, dass Displays kleinere Stürze nicht so einfach überleben. Aber das... Schicksal ist manchmal merkwürdig. Auf dem Display waren wenige Worte einer Email zu sehen. 
„ der Status ihrer Bewerbung hat sich verändert...“ 
Ungläubig saß ich im Magen des Ungetiers, des Königs Afrikas. 
Ich öffnete die Email, manövrierte mich mit ein paar Berührungen auf das Display weiter.

„sehr geehrter Herr... Freuen Ihnen mitteilen zu können... angenommen..“

Mist.

Moment.
Ich berührte die andere Hosentasche. Da war es.
Das unnötigste Utensil seiner Reise.
Wozu ein Schweizer Messer, wenn ich gefressen werden möchte, hatte ich mich gefragt, doch der Taxifahrer hatte mich angelächelt:
„Besser du schneidest Äste für Feuer, abbrechen ist nicht gut für Baum.“

Der Löwe schaute sehr verdutzt, als ich mich aus seinem Bauch geschnitten hatte. 

So, jetzt gehe ich also studieren, sitze aber ohne Geld in Afrika fest. Es gibt schlimmeres! Ich habe ja noch über einen Monat Zeit um mich zu beschäftigen.

 Ich studiere! Und zwar genau das was ich möchte, was mir Freude bereitet! Wer hätte das gedacht?